Fördermittelantrag stellen – ein aufwändiges Unterfangen für kleine Vereine

Mariann Szőke - Pixabay
© Mariann Szőke - Pixabay

Eine große öffentliche Behörde möchte gern innovative Projekte fördern. Im Rahmen der „Interessenbekundung“ sollen wir für unseren kleinen Verein arbeitsoffen e.V. beschreiben, welche coolen neuen Ideen wir haben und wie wir sie umsetzen wollen, worin der gesellschaftliche Effekt des Projektes liegt und wie er sich messen lässt. Ein Zeit- und ein Kostenplan für die gesamte Projektlaufzeit (maximal drei Jahre) sind einzureichen. Mit Abschluss des Projektes soll die Welt eine bessere sein.

 

 Von der ersten Projektidee zum konkreten Konzept

Die Ausschreibung des großen Amtes ist wolkig und allgemein formuliert. Partizipation, Demokratie, Empowerment, Gemeinschaft – wer möchte das nicht. Wir haben viele Ideen, wie wir diese großen Worte mit konkreten Taten zum Leben bringen können. Wir sind sehr kreativ und flexibel und zu vielem fähig und bereit. Aber bevor wir uns in die aufwendige Arbeit der detaillierten Ausarbeitung eines Konzeptes und eines Finanzierungsplans stürzen, möchten wir gerne wissen, ob wir mit unserer Projektidee, der avisierten Zielgruppe in unserer Region und mit unserer Vereinsstruktur überhaupt zur Kernzielgruppe des potenziellen Geldgebers gehören.

 

Erst informieren, dann konzipieren

Wir rufen im Amt an, um genaueres zum Programm zu erfahren. Es gibt nur eine zentrale Telefonnummer, aber wir wissen immerhin, welche Abteilung zuständig ist. Schließlich haben wir die Ausschreibungsunterlagen genau studiert. „Ich darf da nicht durchstellen“ heißt es an der Zentrale. „Schreiben Sie eine Mail“. Wir schreiben eine Mail, stellen unsere Fragen und haben bis heute keine Antwort bekommen.

 

Konzeptentwicklung – Beratung nutzen

Ganz ohne Unterstützung bleiben wir nicht. Das Amt bezahlt einen großen Träger damit dieser im Rahmen einer Projektwerkstatt kleine Vereine wie arbeitsoffen so berät, dass wir nur solche Anträge stellen, die auch den Anforderungen des Amtes entsprechen. In der letzten Förderperiode war die Hälfte der gestellten Anträge gar nicht förderfähig. Das Amt will nicht wieder mit zu vielen untauglichen Anträgen überschwemmt werden. Das können wir verstehen. Wir wollen auch keine Zeit auf die Formulierung von aussichtslosen Anträgen verschwenden.

Um bei der Projektwerkstatt mitmachen zu dürfen, müssen wir uns mit einer kurzen Projektskizze bewerben. Wir werden in das Programm aufgenommen. Unsere Idee hat anscheinend überzeugt.

Insgesamt zehn kleine Vereine aus der Region versammeln sich in der Projektwerkstatt. Einige haben sogar schon mal einen Förderantrag bei dem großen Amt gestellt, sind aber abgelehnt worden. Jetzt wollen sie wissen, wie es besser geht. Wir alle hoffen auf die Expertise des großen Trägers und möchten von seinen Strategien zur erfolgreichen Antragstellung profitieren. Wir erwarten, dass erfahrene Mitarbeiter:innen, uns mit der hidden Agenda der großen Behörde vertraut machen.

 

Zur Projektentwicklung die richtigen Fragen im Vorfeld klären

Einen Antrag auszuarbeiten, kostet uns netto ein bis zwei Arbeitswochen. Das machen wir nicht mal so eben nebenbei und wir machen diese Arbeit ehrenamtlich. In unserer Freizeit. Da wüssten wir gern vorab, wie groß unsere Chancen sind, einen Zuschlag zu bekommen. Wie viele Anträge kommen durch? Jeder zweite? 1:10? 1:100? Lotto? Was ist ein realistisches Budget, das wir angesichts unserer Vereinsgröße beantragen sollten?

Arbeitet der Geldgeber mit bewährten großen Playern zusammen oder haben wir als kleiner und junger Verein auch eine Chance? Bevorzugen sie Kooperationen verschiedener Träger oder soll eine Organisation den Hut aufhaben? Wollen sie vor allem Projekte auf dem Land oder doch lieber im Ballungsraum fördern? Sollen wir uns vorrangig um Alte oder Junge, Schwarze oder Weiße, Inländer, Ausländer, Kinder, Arbeitslose, Frauen, Männer oder Diverse kümmern?

 

Projektantrag ausarbeiten

Weil wir von unserer Projektidee selbst durchaus überzeugt sind, stürzen wir uns in die Arbeit und setzen dabei auch auf die Unterstützung der Projektwerkstatt. Viele Termine über viele Stunden sind geplant. Da sollte doch ein guter Antrag gelingen.

Der Kursleiter, den der große Träger für die Projektwerkstatt abgestellt hat, kommt frisch von der Uni, es ist sein erster „richtiger“ Job. Er ist uns immer eine PowerPoint-Folie voraus. Und wenn das mal nicht der Fall ist, dann erklärt er uns freundlich, dass er sich in den nächsten Wochen bei seinen Kollegen erkundigen wird, und ab und zu wird er auch selbst durch das Amt geschult. Meist hat er beim nächsten Termin die Frage dann doch vergessen oder nur eine sehr allgemeine Antwort parat. Von Termin zu Termin werden wir vertröstet. Wir geben die Hoffnung nicht auf, dass wir über die allgemeinen Formulierungen der Projektausschreibung hinaus doch noch die ein oder andere relevante Information für unseren Projektantrag erhalten. Wir hören brav zu, wenn uns unser Kursleiter die vom großen Amt zur Verfügung gestellten Schulungsunterlagen vorliest.

 

Schwarmintelligenz nutzen – Kollegialer Austausch hilft

Obwohl wir eigentlich alle miteinander um das Geld des großen Amtes konkurrieren, ist die Stimmung in den Workshops gut und der Umgang miteinander kollegial. Die Teilnehmenden, zumeist ehrenamtliche Vorstände kleinerer Vereine wie wir, bringen ihre Erfahrungen und ihr Wissen zu Gunsten aller ein. Nur zwei Vertreter eine Kommune fallen etwas aus dem Rahmen. Sie haben Schwierigkeiten, ihre Projektziele zu definieren, die Politik redet mit – wenn nicht gleich rein. Ein großer Apparat steht hinter ihnen und will beteiligt sein. Dafür können die beiden kommunalen Mitarbeiter ihre Anträge während der Arbeitszeit formulieren.

Unser Antrag wächst – schließlich ist es nicht das erste Konzept, das wir schreiben, um uns um eine öffentliche Förderung zu bemühen. Nur handelte es dabei bisher um kleinere Projekte und eben noch nie um eines beim großen Amt.

Gegen Ende der Projektwerkstatt legt sich unser Kursleiter noch mal richtig ins Zeug. Ganz wichtig sei es, dass unser Antrag auch richtig formatiert ist. Wer falsch formatiert, dessen Antrag ist gleich draußen. Wir geben uns alle Mühe mit der Formatierung. Leider gibt es keine Formatvorlage und die schriftlich formulierten Vorgaben des großen Amtes lassen sich nicht in unser Textverarbeitungssystem einpflegen.

Weil wir unseren Antrag nicht direkt selbst beim großen Amt einreichen dürfen, sondern dies über unseren Dachverband geschehen muss, haben wir Glück. Der zuständige Mitarbeiter des Paritätischen beherrscht die Formatvorgaben des großen Amtes perfekt. Nicht nur für uns, sondern für 40 weitere Mitgliedsorganisationen werden die Anträge von ihm kunstvoll endformatiert. Und er checkt unseren Antrag auch noch mal inhaltlich. Der Antrag erfüllt alle der durch das Amt formulierten Anforderungen, lautet das Feedback des erfahrenen Mitarbeiters. Frohen Mutes reichen wir im Sommer unseren Antrag ein.

 

Was macht einen guten Fördermittelantrag aus?

Nachdem wir Ende Juni unseren Antrag eingereicht haben, heißt es abzuwarten. Ende Oktober sei frühestens mit einer Entscheidung zu rechnen. Für uns überraschend meldet sich im Spätsommer das Amt bei uns. Es gibt zwar noch keine Entscheidung zum Antrag, aber wir werden zu einem Vernetzungstreffen eingeladen. Ein großes „Come Together“ der sozialen Organisationen ist geplant. Wir fahren quer durch die Republik und hoffen, vielleicht doch noch die ein oder andere Antwort auf unsere Hauptfrage zu erhalten: Worauf kommt es an, um in den Genuss von Fördermitteln zu gelangen? Nach dem Antrag ist schließlich vor dem Antrag.

In einem schicken Lab mit toller Technik werden wir empfangen. Geld scheint diesmal keine Rolle zu spielen. Das Grußwort spricht die stellvertretende Amtsleitung. Lachend erzählt sie uns, dass sie heute zwei Veranstaltungen eröffnet. Damit sie nicht durcheinanderkommt, hat sie die Redemanuskripte zu Hause gelassen. Sie hofft, dass die Referenten, die die Reden für sie ausgearbeitet haben, es ihr verzeihen mögen. Am Ende wünscht sie uns zwei schöne Tage. Wir schauen uns irritiert an. Wir wissen nur von einem.

Eine Moderatorin übernimmt: „Toll, dass Sie alle da sind“ und zur Auflockerung machen wir ein Kennenlernspiel. Anschließend hält ein Abteilungsleiter des Amtes eine lange Rede. Er schwärmt von „den guten Vibrations im Saal“. „Die Kraft des Ehrenamtes“ und unser so unglaublich starkes Engagement seien so direkt und unmittelbar für ihn zu spüren. Diese Gefühle habe er nicht alle Tage bei seiner Arbeit und er finde diese Veranstaltung einfach großartig.

Die Geschäftsführerin eines internationalen Frauenverbandes aus dem Süddeutschen sitzt neben mir und bekommt zunehmend schlechte Laune. Der halbe Tag ist schon vorbei und noch immer wissen wir nicht, was einen erfolgreichen Antrag bei diesem Amt ausmacht. Was sind die Auswahlkriterien? Was wollen die von uns?

„Nehmen Sie mich mit“, erklärt uns schließlich eine Referentin in der Kaffeepause am Nachmittag: „Wenn ich mich angesprochen fühle, dann ist der Antrag gut.“ Und ehe wir noch fragen können, was das denn so genau sei, was sie anspricht, ist sie auch schon weitergezogen, um die Vibrations des großen Come Together weiter zu genießen.

 

Der Bewilligungsbescheid zur Fördermittelvergabe – worum es wirklich geht

Ende November kommt endlich die Entscheidung zur Fördermittelvergabe. Unser Antrag ist abgelehnt. So wie die meisten kreativen und innovativen Projekte aus der Projektwerkstatt auch. Der einzige Antrag, der durchging, ist der kommunale.

„Machen Sie sich keine zu großen Hoffnungen“, hatte mich der Mitarbeiter des Paritätischen, der unseren Antrag so hübsch formatierte, im Sommer schon gewarnt: „Das ist so bei dem Amt. Am Ende nehmen sie doch immer dieselben und die großen Träger.“

Der Leiter der Projektwerkstatt meldet sich noch mal bei uns. Er bietet eine weitere Workshopreihe zur weiteren Antragstellung beim großen Amt an. Ob wir nicht mitmachen wollen? Er sucht noch Teilnehmende. Wir sagen freundlich ab. Keine Kapazitäten. Und ich muss jetzt aufhören hier zu schreiben. Ich will ja noch telefonieren. Mit dem nächsten potenziellen Geldgeber für unser Projekt. Vielleicht gelingt es mir diesmal frühzeitig zu erfahren, ob unser Konzept zu den innovativen Erwartungen des potenziellen Geldgebers passt und worum es wirklich geht.